Erleben wir die ersten postdemokratischen Wahlen

Die Köpfe dominieren. Sie sind nicht zu übersehen. Ebenso die Slogans. Doch wie steht es mit den Ideen? Mit den Vorschlägen für notwendige Reformen? Und wo sind die öffentlichen Diskussionen darüber?

Könnte es sein, dass zu viele die Wahlen zur Bundesversammlung mit einer Casting Show verwechseln? Oder ganz einfach vergessen haben, um was es denn bei Wahlen eigentlich gehen sollte?

 

 

Oder wie müssen wir uns dies sonst erklären, dass eine Antwort von einigen Kandidatinnen und Kandidaten immer wieder zu hören ist: «Dazu will ich Ihnen noch nichts sagen, da müssen wir erst den Ausgang der Wahlen abwarten!»

 

 

Ja kann denn ein kritischer Bürger überhaupt wählen, genauer auswählen, wenn ihm die Kandidaten vorenthalten, was sie nach den Wahlen genau vorhaben?

 

 

Verdrängt oder unter den Teppich gekehrt werden derzeit viele wichtige Themen und Fragen. Denken Sie nur an die Ausgestaltung der Beziehungen der Schweiz zu Europa und der EU. Noch schlimmer steht es im Hinblick auf den 14. Dezember 2011. Dann wird ein neuer Bundesrat gewählt. Und dann stehen jene der jetzigen KandidatInnen, die am 23.Oktober gewählt werden, vor der Frage, ob sie die aus der SVP ausgeschlossene Bundesrätin Widmer-Schlumpf abwählen und den geistig nach wie vor in der SVP-Welt eingeschlossenen Ueli Maurer weiter im Bundesrat belassen wollen. Dürfen die Wähler heute nicht wissen, was der heutige Kandidat und mögliche Wähler vom 14.Dezember dann zu tun gedenkt ?

 

 

Oder gehört zur «Post-Demokratie», in der uns viele schon sehen, dass man vorher nicht mehr sagt, was man nachher tun will. Ich fände dies verheerend. Ich finde, jeder sollte jetzt nachfragen und auf einer Antwort beharren. Ich werde Eveline Widmer-Schlumpf wieder wählen und keinem SVP-Mann die Stimme geben. Denn die Zeiten der grossen Feuer&Wasser–Konkordanz ist vorbei. Die Schweiz kann sich nicht länger eine Regierung leisten, die ihre Kraft mit Dampf verschwendet. Denn die Konkordanz ist mehr als Proporz. Sie umfasst auch minimale programmatische Gemeinsamkeiten. (1)

 

 

Das scheint das grosse Defizit dieses Wahl herbst zu sein.Da kommt ein grosses Missverständnis oder ein enormnes Verkennen der Aufgabe der Wahlen zum Ausdruck.
(1)Mehr dazu und weitere Antworten auf die drängendsten Fragen in unserem eben erschienenen neuen Buch: «Über den Herbst hinaus ! Innenpolitische Alternativen mit europäischen Perspektiven», herausgegeben von Gross/Krebs/Schönmann/Stohler, Editions le Doubs, St-Ursanne , September 2011, 256 S.